Die Weststraße

Luftaufnahme, Ende der 1960er Jahre, "Eingang" zur heutigen Fußgängerzone (Einweihung 1988) mit den Brennereien Graute und Schulze Rötering

Die Weststraße ist einer der ältesten Straßen in Sendenhorst – Sie liegt auf dem Münsterländer Kiessandrücken, einer eiszeitlichen Ablagerung aus Sand und Kies, auf und an dieser „Anhöhe“ quer durch das ganze Münsterland wurde schon früh gesiedelt.

Der Fund eines Gräberfeldes 1930 aus der Bronzezeit (600-500 vor Chr.) im Bereich Spithöver Str., lässt lt. Heinrich Petzmeyer vermuten, dass dazu eine bäuerliche früh-germanische Siedlung bestanden hat und somit ein Weg entlang des Kiessandzuges. Auf dem höchsten Punkt der „Anhöhe“ wurde später (nach 1.000 n. Chr.) die erste Kirche errichtet. Die erste Bauerschaft Seondenhurst, Ersterwähnung 900 n.Chr. lässt sich nach Heinrich Petzmeyer 500 m westlich verorten. Der kürzeste Weg zur gemeinsam mit den anderen Bauerschaften „neuen“ Kirche führt hier entlang. Das erste Mal „Kirchdorf“ wird Sendenhorst 1175 genannt, da gab es den Weg  „Weststraße“ schon über 1.600 Jahre.

Blick in die Weststraße mit Beflaggung. Links. Scheune Schulze Rötering

An der Weststraße, an der Stelle des ehemaligen Bürgerhauses, wurden im Jahr 1975 riesige Fundamente und mittelalterliche Artefakte gefunden, so dass man davon ausgehen kann, dass sich hier ein Adelssitz im Mittelalter befunden haben muss. Herrmann von Sendenhorst wird in dem Zusammen­hang als möglicher Burgherr genannt, wahrscheinlich 12. Jahrhundert. Der Bereich Drostenhof (hinter dem Bürgerhaus) war dem Areal zugeordnet, dem Hof des Drosten = Verwalter des Bischofs und der war adelig. Spätere Eigentümer, (Grafen von Merveldt) wohnten nicht mehr am Ort.

Familie Gassner- Schulze Rötering bei der Entdeckung der mittelalterlichen Artefakte im Jahre 1975

An der Weststraße, an der Stelle des ehemaligen Bürgerhauses, wurden im Jahr 1975 riesige Fundamente und mittelalterliche Artefakte gefunden, so dass man davon ausgehen kann, dass sich hier ein Adelssitz im Mittelalter befunden haben muss. Herrmann von Sendenhorst wird in dem Zusammen­hang als möglicher Burgherr genannt, wahrscheinlich 12. Jahrhundert. Der Bereich Drostenhof (hinter dem Bürgerhaus) war dem Areal zugeordnet, dem Hof des Drosten = Verwalter des Bischofs und der war adelig. Spätere Eigentümer, (Grafen von Merveldt) wohnten nicht mehr am Ort.

An der Weststraße prägten im 18./19./20. Jahrhundert vor allem die Brenner das Stadtbild. So gab es hier auf engsten Raum 3 Brennereien, die auch heute noch die Stationen 1-3 des Brennereipfades bilden. Dieser umfasst insgesamt 12 Stationen, die an den ehemals mindestens 12 Brennereien in der Stadt platziert sind.

An der Weststraße waren dies die Brennereien Graute, Schulze Rötering und Sommersell. Viele Jahrzehnte waren die Brenner ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt und die Brenner waren in vielen gesellschaftlichen Bereichen der Stadt stark vertreten, so z. B. der Sparkassen-Rendant Bernhard Schulte Rötering. Auch nach dem Krieg wurde noch bis in die 1980er Jahre Korn in der Innenstadt und in der Weststraße produziert.

Spielende Kinder auf der Weststraße, Blick bis zum Fuselpättken (Brennerei Laink-Vissing), links: Haushaltswaren Meyer

Mit der Stadtsanierung in den 1970er Jahren realisierte man, dass die Brennereibetriebe in der Stadt nicht mehr zeitgemäß waren, die Geruchs- Verkehrs- und Schutzbelastung war einfach zu groß, gerade bei Inversionswetterlage.
Die Brennereien wurden in das umliegende Kirchspiel ausgesiedelt, z. B. gingen die Brennrechte der Brennerei Gassner an Martin Schulze Rötering über, der noch heute im Kirchspiel Borbein kurz hinter der Stadtgrenze brennt. Das Wasser für seinen Korn kommt jedoch wie schon in alten Zeiten aus einem Brunnen in der Weststraße. Der Kiessandrücken hat eine hohe Wasserqualität, die Wasseradern werden bis aus dem Teutoburger Wald gespeist.

Dem Thema Brenner wurde von dem Sendenhorster Künstler und Ehrenbürger Bernhard Kleinhans ein Kunstwerk gewidmet, die Quadriga. Dargestellt sind vier Arbeiter, die die Schlempe aus der Stadt abtransportieren mussten. Die Schlempe entsteht als Nebenprodukt beim Brennen. Gleichzeitig wurde diese als hoch effizientes Mastfutter an das Vieh verfüttert. Da die meisten Brenner gleichzeitig landwirtschaftliche Betriebe im Kirchspiel oder in der Stadt hatten, konnten somit eine effiziente Wertschöpfungskette aufgebaut werden. Die Quadriga stand zuerst vor dem Bürgerhaus, wurde jedoch im Jahre 2015 an den Eingang der Fußgängerzone versetzt.

Die Stadtsanierung in den 1970ern bedeutete eine Zäsur: Zum Glück wurde durch den Einsatz einiger engagierter Bürger verhindert, dass das Fachwerkensemble niedergerissen wurde. Dieses stellt heute eine Perle und ein Entree in die immer noch schöne Innenstadt von Sendenhorst dar.

Denn die Stadtsanierung hat natürlich nicht, wie oft propagiert, zu einem Kahlschlag geführt. Einige wunderschöne Fachwerkhäuser konnten gerettet werden. Und wenn auf den alten Fotos die Häuser auch so schön aussehen, die Innenstadt und die Weststraße waren eng, gerade in den Hinterhof-Bereichen. so zu erkennen auf den Luftaufnahmen. Kleine Gewerbebetriebe machten den ohnehin schon knappen Platz noch knapper und der Wohnraum in den nach außen „schönen“ Gemäuern war eher bescheiden. So konnte Bernhard Hölscher in seinem eigenen Zimmer nicht aufrecht stehen, die Toilette im Hof, die Liste ließe sich fortsetzen…Seit 1988 ist die „alte“ Weststraße Fußgängerzone. In den 1960ern war die Straße noch beidseitig befahrbar, da hieß es aufpassen, wenn man aus der Tür trat oder bei Kaupmann aus der Wirtschaft. Kaupmann / Klümper war ein Hotel mit Gastwirtschaft, Kegelbahn und Saalbetrieb.

Vor Bau des Bürgerhauses 1975 - Hölscher - Kaupmann - Schulze Rötering

Im Zuge der Stadtsanierung entstand hier an der Stelle 1975 das Sendenhorster Bürgerhaus, das nun auch schon wieder Geschichte ist. Auch dieses Haus war berühmt für seine legendären Feiern, sowie die vielen unterschiedlichen Pächter. Sowohl Johannisbrüder, als auch St. Martinusschützen haben hier wahrhaft rauschende Feste gefeiert. Aber auch der Karneval, unzählige Hochzeiten und private Feiern galt es, hier zu feiern. Viele persönliche Erinnerungen sind an den Saalbetrieb verknüpft – Hier haben viele Sendenhorster das Tanzen erlernt. Theo Debbelt aus Drensteinfurt war der legendäre Tanzlehrer, genannt Theo 123…. Auch schon dessen Vater lehrte hier den jungen Sendenhorstern das Tanzen und Etikette. Sogar der Sendenhorster Superstar und Let‘s Dance Gewinner Alexander Claws hat hier das Tanzen wohl erlernt.

1930er - Stahlhelm tritt auf der Weststraße an

Im Keller gab es 3 Kegelbahnen, eine Sektbar und natürlich den Schießkeller, in dem die Martinus-Sportschützen beheimatet waren. 2019 wurde das Gebäude komplett umgebaut.

Viele Sendenhorster wünschen sich mitunter noch Kaupmanns Saal oder das Bürgerhaus zurück, aber auch hier gilt: Es war viel zu wenig Platz, der Notausgang endete z.B. damals in Hölschers Werkstatt was natürlich überhaupt nicht dem Brandschutz entsprach.

In den 1970/80ern war die Straße Teil des „Sendenhorster Ei“. Die Runde um die Kirche, an der Eisdiele vorbei und dann mit Schmackes um die Kurve in die Weststraße, um die Kirche herum und dann noch einmal Vollgas. So wird berichtet, dass es durchaus möglich war, die Runde 30 x auf dem Motorrad auf einem Rad zu fahren.

In Erinnerung ist aus den 1980ern geblieben, wie unter den Schlafzimmerfenstern regelmäßig Panzerkolonnen mit bis zu 50 Panzern durchs Bild fuhren, der Kalte Krieg war ja noch mitten im Gange.

Scheune Schulze Rötering, Wohnhaus Brennerei Schommersell, Meyer, alte Mauer zum Pfarrgarten

Nach Abriss der Scheune Rötering, Haus Sommersell, Meyer wurde 1971 hier ein Mehr-familienhaus errichtet. Hier war viele Jahre der Supermarkt Coop und später der Drogeriemarkt Schlecker. Auf der Seite des Stromkastens entstand der Supermarkt AWA. Später wurde dieser zu Rewe und dann zu „Nah und frisch“. 2001 siedelte der dann zur Oststraße um. Dies bedeutete schwierige Jahre für die Straße.

Nach langem Dornröschenschlaf und der Schlecker Insolvenz 2012 hat sich dann aber wieder Leben aufgetan. In den 2010ern konnte der Trend umgekehrt werden. Dank großen Engagements des Einzelhandels entstanden neue Geschäfte, u. a. „IhrPlatz“. Dank aufblühender Gastronomie und der Stadt gelang es, die Fußgängerzone zu reanimieren. Mit der Innenstadtverschönerung zum Stadtjubiläum 2015 erfuhr die Fußgängerzone eine Aufwertung. Viele Auswärtige, Patienten des Stiftes und Touristen loben den schönen Spielplatz mit „Fines Laden“ oder die Rote Bank und das Bücherregal, immer mit Blick auf St. Martin.

Aus der anderen Richtung mit Blick auf die Drogerie Schüttelhöfer

2015 stiftete der Heimatverein eine bronzene Hinweistafel zum Gedenken an das Geburtshaus Josef Spithövers, wohl dem größten Sohn der Stadt. Das Geburtshaus Spithövers, der aus prekären Verhältnissen stammte, befand sich ebenfalls in der Weststraße, jedoch etwas abseits der Straße (Bereich kommunales Forum, hinterer Teil der Gasse).

Die Straße hat bestimmt noch viel mehr Geschichten gesehen in bestimmt über 2.600 Jahren Geschichte, Völkerwanderungen, Märsche, Kriege, Prozessionen, Umzüge und man kann klar erkennen: Geschichte ist immer ein Fluss, alles ändert sich und die viel gescholtene Stadtsanierung hat sich doch zum Guten entwickelt, denn viele schöne und denkmalgeschützte Gebäude sind erhalten geblieben und schließlich ist dies bald fast 50 Jahre her. Die schönen alten Häuser sind der 100-Schlösser-Route, die hier durchführt, absolut würdig!

Luftaufnahme Kirchstraße / Weststraße Ende der 1060er Jahre: von links Volksbank, Plüschke, Brandhove, Mössing, Hölscher, Kauptmann (2 Gebäude), Rötering, Kuhstall Schulze Rötering

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